MaritIEm – ein Projekt für grünere Terminals

Der Projektname „MaritIEm“ steht für die Emissions- und Immissionsmodellierung in maritimen Transportketten. Das Projekt des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) und der IVU Umwelt GmbH (IVU) wird über die BMVI Forschungsinitiative mFUND gefördert und läuft seit Juni 2020 bis Mai 2023. Wir sprechen mit der Projektleiterin Flóra Zsuzsanna Gulyás.

Hallo Frau Gulyás, welche Ziele verfolgen Sie mit dem Projekt MaritIEm?
Das durch den Warenumschlag bedingte Verkehrsaufkommen in den Hafenstädten ist hoch und steigt immer weiter. Das führt natürlich auch zu einer Verschlechterung der Luftqualität. Der Ausstoß von Luftschadstoffen hat insbesondere lokal Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit der Menschen.

Das Ziel des Projektes ist es, auf Basis unterschiedlicher Szenarien Maßnahmen zu untersuchen, die die Belastung mit Klimagasen und Luftschadstoffen durch hafenbezogene Aktivitäten bzw. maritime Transportketten in Hafenstädten reduzieren. Der Effekt der Maßnahmen in den unterschiedlichen Szenarien wird berechnet. In diesen Szenarien verwenden wir Bremen und Bremerhaven als Modellstädte, an denen die unterschiedlichen Effekte verschiedener Maßnahmen demonstriert werden sollen. Anschließend geht es um die Frage, wie wir diese Erkenntnisse auf weitere europäischen Seehäfen übertragen können und wie eine neue datenbasierte Methodik etabliert werden kann, welche sich die geplanten Modelle integriert.

Emission und Immission – was ist eigentlich der Unterschied?
Eine Emission ist der Ausstoß von Gasen oder auch festen Stoffen (z.B. Feinstaub) durch zum Beispiel Schiffe und andere Verkehrsmittel, aber auch durch Industriebetriebe oder Kraftwerke. Die Immission ist dann die Einwirkung dieser Emissionen auf die Umwelt, zum Beispiel auf die Luft, den Boden, das Waser und natürlich auf Lebewesen. Emissionen verursachen ja nicht nur am Ort der Entstehung Immissionen, sondern auch an ganz anderer Stelle, da sie, z. B. durch Wind, über weite Strecken verbreitet werden. Daher müssen wir unbedingt beide Aspekte betrachten.

Wie messen Sie das?
Das ist tatsächlich eine große Herausforderung. Die maritimen Transportketten umfassen Verkehrsmittel sowohl auf dem Wasser (See- und Binnenschiffe) als auch am Land (Transport auf Schienen und Straße), wobei die Transporte entweder von der See in Richtung Hinterland oder genau umgekehrt verlaufen.

Zunächst erstellen wir ein Routingmodell für diese Transportketten, in dem wir ein möglichst genaues Abbild der Fahrwege erfassen und kartografisch mit der Hilfe des ISL-MapServers darstellen. Dazu beachten wir auch Fahrpläne und Fahrtverläufe – eine riesige Datenmenge. Aus den Transportwegen und u.a. Daten zum Verbrauch und den Emissionen einzelner Fahrzeuge können wir Emissionen von Klimagasen und Luftschadstoffen, die durch die maritime Transportkette hervorgerufen werden, berechnen.

Und können Sie auch die Immissionen messen?
Zur Berechnung der Schadstoffausbreitung bzw. der Immmissionen haben wir die IVU als Projektpartner. Die ermittelten Emissionen dienen als Grundlage für eine Ausbreitungsmodellierung. Unter Verwendung zeitaufgelöster meteorologischer Daten (u.a. Windrichtung, -geschwindigkeit, Stabilität der Atmosphäre) wird mit einem komplexen Ausbreitungsmodell die Konzentration der relevanten Schadstoffe im Untersuchungsgebiet berechnet. Für einzelne ausgewählte Hotspots, z. B. in bebauten Gebieten, wird zusätzlich mit einem Screening- oder Detailmodell die Belastung für potentiell Betroffene ermittelt. Die auf diese Art ermittelten Konzentrationswerte können Grenz-, Richt- oder Orientierungswerten gegenübergestellt werden. Über einen Vergleich mit Messwerten der Luftschadstoffbelastung lässt sich die Qualität der gesamten Modellierungskette (Routing, Emission, Ausbreitung) bewerten. Etwaige Abweichungen können genutzt werden, um die gesamte Modellkette zu verbessern.

Das Projekt ist auf drei Jahre ausgelegt. Wo stehen Sie jetzt und wie gehen Sie vor?

Wir haben das Projekt methodisch in vier Phasen unterteilt und stehen hier momentan in der Phase 1. Das ist die Ermittlung der Emissionserzeuger, also aller relevanten Verkehrsmittel und ihrer Routenverläufe. Hierbei erfolgt ein detailliertes Routing je Verkehrsmittel und die kartographische Darstellung. In Phase 2 berechnen wir dann die Emissionen dieser Verkehrsmittel mit der Hilfe von diversen Emissionsfaktoren. Die Berechnung erfolgt differenziert nach Verkehrsmitteln, aber auch nach Fahrtzuständen oder Fahrzeugarten. Danach blicken wir in Phase 3 auf die Immissionen. Wir werden hier weitere Emissionsquellen wie z. B. Industrie oder Gebäudeheizung berücksichtigen, um die Immissionen möglichst exakt zu berechnen. Im letzten Schritt geht es um die Entwicklung und den Vergleich von Szenarien zur Reduzierung von Emissionen und Immissionen. Die möglichen Szenarien werden in unserer Simulationsumgebung durchgespielt. Was passiert zum Beispiel, wenn der Transport vom LKW auf die Schiene verlagert wird oder, wenn wir die Menge an Landstromanschlüsse für Seeschiffe erhöhen? BremenPorts als assoziierter Partner des Projektes unterstützt und dabei, denkbare und machbare Szenarien unter Berücksichtigung aktueller technologischer Entwicklungen zu entwickeln.

Nach Abschluss des Projekts können wir die Erkenntnisse aus den Simulationen hoffentlich für zahlreiche Häfen in Europa, oder sogar darüber hinaus übertragen, so dass jedes Terminal seine besten Optionen zur Reduzierung von Treibhausgasen ermitteln kann.

Was reizt Sie persönlich an diesem Projekt?
Die Erderwärmung können wir ja nicht mehr ignorieren. In Häfen „grüner“ zu denken, trägt auch dazu bei die Erderwärmung zu stoppen bzw. zu verlangsamen. Ich freue mich, dass ich mit diesem Projekt einen Teil dazu beitragen kann. Ich bin überzeugt davon, dass Nachhaltigkeit nicht immer nur Kosten erzeugen muss, sondern durch richtige Planung und eine durchdachte Herangehensweise einen Mehrwert erzeugten kann.

Glauben Sie, dass auch die Terminalbetreiber an diesen Erkenntnissen interessiert sein werden?
Sicherlich gibt es einige Terminals, die an diesen Themen schon intensiver arbeiten als andere. Aber ich bin überzeugt davon, dass diese Ansätze für alle Häfen wichtig sind, um auch künftig wirtschaftlich zu sein. Denn eine Reduktion von Energieverbräuchen lohnt sich durch Einsparungen ja auch wirtschaftlich. Zusätzlich gibt es hoffentlich weitere Gesetze bzw. wirtschaftliche Anreize für die Terminals, so dass Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit keine Gegensätze sein müssen. Beides muss letztlich voneinander abhängen.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Gulyás!